Evidenz-Lage zur Transkraniellen Pulsstimulation erweitert sich
Neue Studie zeigt: TPS sowohl bei Alzheimer-Demenz als auch bei Depression wirksam.
Dass die Transkranielle Pulsstimulation eine wirksame Therapiemethode zur Behandlung der Symptomatiken bei Alzheimer-Demenz, anderen Formen der Demenz und auch bei assoziierten Depressionen ist, haben klinische Untersuchungen in der Vergangenheit bereits gezeigt. Ebenso bedeutsam ist, dass wir in unseren Praxen gemeinsam mit den Patienten und Angehörigen täglich erleben, welche Unterstützung die TPS beim Leben mit diesen Erkrankungen leisten kann.
Nun wird auch die Studienlage immer besser. Weltweit wird zu verschiedenen Aspekten der Transkraniellen Pulsstimulation geforscht – seit neuestem übrigens auch in den USA, wo die TPS nun ebenfalls für Studien zugelassen wurde.
In Deutschland kommt die erste wissenschaftliche Publikation des Jahres 2023 – es folgen in Kürze viele weitere Arbeiten – von meinem Kollegen Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Ulrich Sprick. Er ist Chefarzt der Ambulanzen und Tageskliniken der Alexius/Josef Klinik Neuss und Professor mit dem Schwerpunkt Hirnforschung an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seine Beobachtungsstudie wurde übrigens aus eigenen Mitteln der Alexius/Josef Klinik finanziert.
Auch die neuen Daten zeigen: TPS unterstützt kognitive Exekutivfunktionen und lindert Depressionen.
Das Team um Prof. Sprick und Co-Autor Dr. med. Martin Köhne, Ärztlicher Direktor der Alexius/Josef Klinik schlossen 21 nachweislich an Alzheimer-Demenz erkrankte Patient:innen im Alter zwischen 59 und 86 Jahren in die Untersuchung ein. Ausgeschlossen werden mussten Patient:innen mit Gehirntumor (einschließlich gutartiger Tumoren), Hämophilie, Blutgerinnungsstörungen, Marcumar-Therapie oder einer Kortikosteroid-Behandlung bis zu sechs Wochen vor der ersten TPS-Stimulation. Die pharmakologische Medikation als reguläre State-of-the-art-Behandlung der Patient:innen wurde beibehalten.
In einem sog. Prä-Post-Studiendesign (also Vorher-Nachher-Untersuchungen) wurden die exekutiven Funktionen der Proband:innen untersucht. Darunter versteht man die geistigen Prozesse, die das Verhalten, die Aufmerksamkeit und auch die Gefühle des Menschen gezielt steuern. Zur Anwendung kam dabei der Stroop-Test (auch Farbe-Wort-Interferenz-Test genannt), ein Verfahren zur Prüfung der selektiven Aufmerksamkeit. Bei diesem Test werden bewusst Konflikte zwischen kontrollierten und automatisierten Verarbeitungsprozessen im Gehirn geschaffen.
Viele Alzheimer-Demenz-Patient:innen leiden auch unter depressiven Verstimmungen bzw. Depressionen. Wie in anderen Studien zur TPS bereits belegt wurde, kann sich die neurologische Stoßwellen-Behandlung auch hier positiv auswirken. Die Schwere der depressiven Symptome wurde mit dem sog. Becks-Depressions-Inventar (BDI), einem validierten, psychologischen Testverfahren gemessen.
Beide Tests wurden jeweils vor Beginn der sechs TPS-Behandlungen sowie zwei Wochen nach Erhalt der letzten TPS-Therapieeinheit durchgeführt.
Sowohl in Bezug auf die Wirkung der TPS auf die Exekutiv-Funktionen als auch auf die Schwere der Depressions-Symptome zeigten sich signifikante Ergebnisse – und die Forschenden fanden noch mehr heraus.
TPS-Anwendungsstudie: Durchführung und Ergebnisse im Detail.
Die Transkranielle Pulsstimulation wird mit dem Stoßwellen-System NEUROLITH® durchgeführt. Bei den Patient:innen wurden fokussierte Stosswellen (3 μs Dauer, 4 Hz, 0,25 mJ/mm2) appliziert. Pro Sitzung waren es insgesamt 6.000 Impulse: 1.000 Impulse in den dorsolateralen frontalen Kortex links und rechts, 1.000 Impulse in jeden Parietallappen und 1.000 Impulse in jeden Temporallappen. Somit wurden während jeder Sitzung 3.000 Impulse pro Hemisphäre appliziert.
Die Ergebnisse des Stroop-Tests (Vergleich prä vs. post) zeigten, dass die exekutiven Funktionen durch die TPS-Stimulation signifikant verbessert wurden (p < 0,05). Die statistische Analyse mit dem Wilcoxon-Test zeigte einen signifikanten Unterschied (p < 0,05) prä vs. post. Beim Stroop-Test reduzierten sich die Reaktionszeiten von 246 Sekunden auf 166 Sekunden (Mittelwerte).
Zwei Patienten zeigten dabei jeweils ein herausragendes Ergebnis: Sie reduzierten ihre Reaktionszeit von 575 auf 201 Sekunden und von 602 auf 276 Sekunden. Die Autoren stellten auch eine signifikante Verringerung der BDI-Summenwerte fest (von 16,3 auf 12,1 Punkte), was zeigt, dass die depressiven Symptome gelindert wurden.
Wie bereits aus anderen Studien und Untersuchungen sowie den Anwendungen der TPS im klinischen und praktischen Alltag bekannt und verifiziert, traten Nebenwirkungen nur im vernachlässigbaren Bereich und in geringem Umfang anhand von Kopfschmerz und Müdigkeit auf.
Spezifische Wirkmechanismen der TPS: Anzeichen für vorübergehende Öffnung der Blut-Hirn-Schranke verdichten sich.
Derzeit werden verschiedene Faktoren hinsichtlich der spezifischen Wirkmechanismen der TPS diskutiert. Mechanische Wirkungen der TPS-Stoßwellen auf die Zellmembranen beeinflussen Ionenkanäle und induzieren die Porenbildung sowohl in Neuronen wie auch in Gliazellen. Auch wurden nach TPS-Anwendungen Veränderungen der verschiedenen Neurotransmitterwerte beobachtet uvm.
Hinzu kommt nun die sich verdichtende Hypothese, dass die TPS auch in der Lage sein kann, eine vorübergehende Öffnung der Blut-Hirn-Schranke zu erwirken. Dabei handelt es sich um die biologische Grenze zwischen Blut- und Zentralnervensystem. Durch die Zellen, die der Gefäßwand außen anliegen, können nur bestimmte Stoffe ins Gehirn übertreten. So wird das Gehirn auf natürliche Weise vor schädlichen Stoffen, Krankheitserregern und Giften geschützt.
Allerdings bedeutet dies auch, dass die meisten Arzneimittel vom biologischen System ebenfalls als Fremdstoffe identifiziert und so nicht durch die Grenze der Blut-Hirn-Schranke hindurchdringen können, ergo ihre Wirkung nicht dort entfalten können, wo es medizinisch notwendigerweise erwünscht ist. Die TPS könnte also gemeinsam mit der Gabe von Medikationen als Tandem fungieren, um die Wirkstoffe besser in den Gehirnbereich einbringen zu können. Diese Hypothese muss freilich noch in weiteren Studien und Forschungsarbeiten untersucht werden, so die Autoren.
Fazit: TPS als Therapie-Modul zur Verringerung der Krankheitssymptome und Verbesserung der Lebensqualität.
Den Autoren zufolge zeigt die Datenauswertung, dass die in die Studie aufgenommenen Alzheimer-Patient:innen von der Transkraniellen Pulsstimulation – als Zusatztherapie zu einer medikamentösen State-of-the-Art-Behandlung – profitierten. Die neuen Daten bestätigen auch die Ergebnisse bisheriger TPS-Studien. Die Autoren gehen davon aus, dass die TPS neben ihrem Einsatz bei Alzheimer-Demenz® in Zukunft auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen eine vielversprechende, vielleicht sogar revolutionäre Therapieoption sein wird, die nicht nur zu einer Verbesserung der Krankheitssymptome, sondern auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität insgesamt führt.
Quelle:
Sprick U, Köhne M. (2022). Brain Stimulation by noninvasive Transcranial Pulse Stimulation (TPS) improves cognitive Deficits and Mood in Alzheimer’s Disease. In: Proceedings of the International Conference on Electrical, Computer, Communications and Mechatronics Engineering (ICECCME), 16-18 November 2022, Maldives